Hannover Marathon 2019

Einige Zeit schon hatte ich überlegt, an einem Lauf teilzunehmen. Zwar war ich mehr oder weniger noch eine Laufanfängerin, doch haben mich zahlreiche Erfahrungsberichte und Blogbeiträge aus dem Internet motiviert und inspiriert. Warum also nicht? Gegen Ende des Jahres 2018 hatte ich mich angemeldet. Zu zweit wollten wir den 10km Lauf finishen, der bis dahin doch eine Herausforderung darstellte. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich erst ein wirkliches Laufjahr hinter mich gebracht mit durchschnittlich einem Lauf von drei bis acht Kilometern pro Woche. Im Sommerurlaub bin ich jedoch bereits einmal zehn Kilometer gelaufen – ein Lauf, der trotz den 25 Grad Celsius in der Mittagshitze einer der besten war!

Das Laufjahr 2019 fing also an, hochmotiviert bin ich am Neujahrsmorgen losgelaufen, doch die anschließende, kniebedingte Laufpause setzte meiner Motivation ordentlich zu. Dennoch habe ich das beste aus dem Training herausgeholt: Nach den insgesamt knapp 8 km im Januar, waren es schon fast 50 km im Februar und über 67 km im März. Besonders die letzten Trainingswochen im März waren erfolgreich: Neben kürzeren Distanzen bin ich 10 km, 11km und 12 km gelaufen und hatte bei einem 6 km Lauf eine durchschnittliche Pace von 5:40 min. Meine Bestzeit!

Doch nun stand das lang ersehnte Ereignis an. Wir hatten uns zu zweit angemeldet und vorbereitet, doch da unsere gemeinsamen Trainingsläufe eher dürftig ausfielen, hatten wir uns entschlossen, uns keine Zielzeit zu setzen und das Ereignis einfach zu genießen. Am Samstag fuhren wir zum neuen Rathaus, um unsere Startunterlagen abzuholen. Bereits zur Mittagszeit herrschte eine gespannte Atmosphäre, Läufer*innen liefen mit ihren HAJ Starterbags durch die Gegend und viele Stände waren aufgebaut und zum Verkauf geöffnet. Vorfreude und Erwartung lagen in der Luft!

Endlich war Sonntag, der 7. April 2019 angebrochen. Zum Frühstück sahen wir den Marathonläufer*innen beim Start um 9 Uhr im Fernsehen zu, sahen die Spitzenathleten am Steuerndieb vorbeiflitzen, von motorradfahrenden Reportern mit der Kamera begleitet, sie über die Noltemeyerbrücke rennen. Sprichwörtlich rennen. Nur die Straßenbahn überholte diese.

Gegen 11 Uhr waren wir selber in der Stadt und sahen die ersten Marathon-Finisher nach 2:08 Stunden ankommen. Ich war nie daran interessiert gewesen, bei Sportveranstaltungen oder Wettkämpfen zuzuschauen, doch da ich selber in zwei Stunden starten würde, fand ich es plötzlich sehr spannend und auch motivierend, so viele Finisher zu sehen. Unter den Ankommenden sah ich auch ein „Bananen“-Shirt, Katrin von beVegt kam ins Ziel eingelaufen! Schnell war es auch für uns soweit, dass wir unsere Startnummern am Oberteil und den Laufchip zur Zeitmessung am Schuh befestigten. Haare richten, Schnürsenkel fest zubinden, einen letzten Schluck Wasser trinken, auf Toilette gehen. Bevor wir uns zu unserem Startblock D aufmachten, sah ich erneut zwei Bananen-Shirts durch die Menge laufen und lief hinterher. Da standen die Finisher Katrin und Daniel von beVegt, deren Podcast und Blogbeiträge mich schon länger inspirieren und motivieren. Auch ich wollte für das Team beVegt an den Start gehen und deren Philosophie von „vegan leben und laufen“ mit meinem Shirt verbreiten. Sie haben sich gefreut, angesprochen zu werden und mir viel Spaß für den Lauf gewünscht.

Es ging los. 13:15 Uhr. Wir alle zählten den Countdown: 10, 9, 8, … Die Masse setzte sich jedoch nur langsam in Bewegung. Vor der Startlinie fingen wir an zu trippeln und selbst dahinter war die Menge zu dicht, um das eigene Tempo zu laufen. So mussten wir anfangs viele im Slalom überholen und wollten uns dennoch nicht zu beginn schon überschätzen. Alles lief in Richtung Waterloosäule, die Sonne schien uns direkt ins Gesicht, Zuschauer*innen jubelten am Rand… diese Atmosphäre war großartig. Unser Tempo war locker und entspannt, wir konnten uns nebenbei unterhalten und überholten immer mal wieder viele Läufer*innen. Bald schlugen wir einen Bogen und es lief in Richtung Maschsee. Die erste blaue Markierung ließen wir hinter uns: Bereits 2 km! Ein Fünftel war geschafft und die Zeit vergleichsweise wie im Flug vergangen. Die ganzen kleinen Wehwehchen, die kurz vor dem Start meine volle Aufmerksamkeit beansprucht hatten, waren inzwischen ausgeblendet oder verschwunden, die Aufregung war verflogen und eine Euphorie überkam mich. Dieser Tag, auf den ich so lange hin gefiebert hatte, war nun da und ich LIEF!

Wir überholten in unserem lockeren Tempo viele und sahen auch schon einige, die zu gehen begonnen hatten. Wir sahen Feuerwehrmänner*frauen in voller Montur und mit Gasflaschen und  Menschen mit interessanten Sprüchen auf ihren Shirts wie Läuft wie geschnitten Brot, Umdrehen wäre jetzt auch blöd oder Heul nicht, lauf! Auch liefen viele für einen guten Zweck, für Kinder, gegen Rassismus. An der Längsseite des Maschsees brannte die Sonne nur noch runter. Es lief zwar noch alles locker und es ging mir echt gut, aber diese 20 Grad Celsius waren dann doch recht warm. Es standen nur noch vereinzelt Menschen am Rand, die dann jedoch viel Lärm machten und teilweise auch Musik spielten. Nach Kilometer 5 gab es eine Wasserstation. Auch ich nahm mir einen Pappbecher mit kühlem Wasser, was sich jedoch als Fehler herausstellte. Prompt verschluckte ich mich und bekam leichtes Seitenstechen.

Der weitere Weg führte uns an der Straßenbahnlinie in Richtung Südstadt entlang. Das Seitenstechen war verschwunden und ich war in meinem Laufrhythmus vollständig angekommen. Viele unserer Laufgefährten*innen hatten hier ein kleines Motivationslow, doch meine Motivation erreichte noch mal den Höhepunkt, als jemand vom Rand rief: „Team beVegt!“ Damit war ich gemeint. Eine Frau, die selbst ein beVegt-Shirt trug, hatte mich anhand des T-Shirts erkannt und mich angefeuert! Mit einem Strahlen im Gesicht konnte ich weiter laufen. Nach Kilometer 6 wurde es wieder voller am Straßenrand. Laute Musik, Trommler*innen, Kinder, die uns die Hände zum Einklatschen hinhielten, und eine laute Menge mit bunten Schildern begleitete uns. Wir konnten immer mehr Weg hinter uns lassen und das Ziel kam mit jedem Schritt näher. Faktisch zumindest. Die Läufer*innen motivierten sich gegenseitig, es gab für keinen von uns einen Grund stehen zu bleiben und zu gehen, da hinten war schon die große blaue Acht! Ich lächelte, die letzten zwei Kilometer waren praktisch nichts mehr, es war doch nur noch ein Cooper-Test wie in der Schule!

Wir näherten uns wieder dem Aegi, liefen durch den aufgestellten Bogen hindurch und wurden wirklich von allen Seiten angefeuert und bejubelt. Das Grinsen ließ sich nicht mehr aus meinem Gesicht wischen, diese Menschenmassen verursachten eine unglaubliche Atmosphäre. Mein Körper hatte sich so an diesen Rhythmus gewöhnt, dass ich gar nicht mehr hätte stehenbleiben können, selbst wenn ich es gewollt hätte. Stattdessen wurde ich ein klein wenig schneller. Wir liefen nun in Richtung Kröpke. Von der Seite hörte ich, wie jemand sagte, dass dieser Schlenker hier besonders fies sei. Bei diesem Jubel, der einem hier erwartete, glaubte man schon fast, im Ziel zu sein. Kurz vor Sportcheck konnte ich eine Frau motivieren, weiterzulaufen. Meine Worte hatte sie gebraucht und lief nun neben uns weiter. Auch eine andere Frau wurde von den Worten motiviert, dass wir nur noch einmal um die Ecke müssten.

An der Kreuzung am alten Rathaus stand mein Papa mit seiner Kamera, doch wir kamen zu plötzlich und waren zu schnell, als dass man uns bei der nahen Distanz hätte aufnehmen können. Die Spannung steigerte sich ins Unermessliche. Ein letztes Mal bei dem Zuschauer*innen einklatschen. Motivations-High-Five! Und jetzt bogen wir wirklich um die letzte Kurve, das Ziel lag vielleicht nur noch 300 m entfernt! Wir beide wussten, dass wir noch einmal alles geben würden. Wir hatten uns keine Zielzeit gesetzt, aber wollten noch einmal an unsere Grenzen gehen und die letzten Reserven aufbrauchen. So zogen wir das Tempo an, wurden immer schneller. Auch wenn ich die meiste Zeit des Laufes vorher in einem für mich relativ lockeren Tempo gelaufen bin, war es jetzt so richtig anstrengend. Wir konnten nicht anders, als immer weiter zu beschleunigen und zogen nach und nach an den anderen Läufer*innen vor uns vorbei. Die letzten 10m nahmen wir uns bei der Hand und liefen gemeinsam ins Ziel.

Diese Endorphinauschüttung, die folgte, lässt sich kaum mit Worten beschreiben. Ich war einfach nur stolz und glücklich. Wir gingen mit den anderen Finishern den Weg entlang zum Wasser und den Bananen, bekamen unsere Medaille und einen HAJ Bag mit ein paar Snacks und Flyern mit Werbung für zukünftige Läufe. Ein Finisher-Foto von uns beiden folgte. Wir hatten es zusammen durchgezogen! 01:06:03 Stunden waren wir unterwegs. Damit bin ich die 2768. Finisherin des 10 km Laufs, die 1087. LäuferIN und Platz 25 meiner Altersklasse.

Diese Atmosphäre an dem Tag mitzuerleben, hat mich motiviert, weiterzumachen. Zu laufen. Zu trainieren. Und besonders: Erneut bei einem solchen Laufevent teilzunehmen. Vielleicht auch mit einer größeren Distanz?

Ein Kommentar bei „Hannover Marathon 2019“

  1. Ein toller Bericht Pauli! Man fiebert direkt mit beim Lesen. Es freut mich, dass Du Gefallen am Laufen gefunden hast. Es gibt viele schoene Laufveranstaltungen, alle ein wenig anders und auf ihre Art speziell – probier Dich durch. Laufen verbindet, Du wirst viele interessante Leute kennen lernen.
    Vielleicht laufen wir ja mal den Melbourne Half an einem sonnigen Oktobertag 😉

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