Vom Sich-fremd-Fühlen und Ankommen

Roma, 14 Grad Celsius, gefühlte 20 Grad

Die Sonne, die im Innenhof meiner Fakultät auf mich scheint, brennt mir gefühlt Löcher in die Hose. Der Himmel ist strahlend blau und Vogelgezwitscher sowie Menschengemurmel flirren durch die Luft. Auf dem Innenhof ist es eher windstill und dadurch fühlt es sich Mitte März schon nach Sommer an. Nur im Schatten, der sich langsam schon mittags durch die hinter dem Gebäude verschwindende Sonne über den Hof ausbreitet, ist es noch kühl.

Es ist meine dritte Uniwoche, ich habe mich endlich für Kurse entschieden, weiß wann ich in welchem Raum sein sollte und doch fühlt sich alles noch fremd an. Ich erkenne Gesichter wieder, weiß schon jetzt, dass ich gleich spielerisch genervt von der einen Studentin bin, die mit ihren langen Fingernägeln auf der Bildschirmtastatur ihres Tabletts herumklappert und mich etwas an Ruby aus einer Serie erinnert. Ich freue mich trotzdem auf den Kurs, auf die gefühlte Normalität einer Universitätsvorlesung. Auch wenn die professoressa beim letzteren Mal das Nicht-Hochladen ihrer Präsentation mit ihrer generellen Zerstreutheit gerechtfertigt hat. Die Prüfung des Kurses wird eine Multiple Choice Klausur – auf italienisch… (schauen wir mal, was wird). Meine Notizen für die Uni sind dreisprachig – italiano, english & deutsch – je nach dem, was mir zuerst einfällt. Es ist ganz anders herausfordernd einer Stunde auf Italienisch zu folgen. Ich verstehe das grobe Thema, einzelne Zusammenhänge, teilweise verstehe ich das Gesprochene auch ganz konkret. Kurz danach schaltet mein Kopf ab und ich bekomme fünf Minuten nichts mehr mit, dann rauschen die Worte und Sätze an mir vorbei.

Noch vor zwei Stunden saßen wir im Psicologia Kurs zu dritt. Wir haben uns ein Video zu einem Experiment von Paul Ekman angesehen – teoria del feedback facciale – auf englisch. Die professoressa bemüht sich, für mich so viel wie möglich auf Englisch einzubinden, für die studentesse italiane hatte sie die sottotitoli italiani aktiviert. Den Switch vom englischen Video zur italienischen Unterrichtssprache fiel mir unglaublich schwer. Ich frage mich, wann und ob es leichter geht. Nicht nur das Zuhörern und Verstehen, vor allem auch das Sprechen. Neben Englisch habe ich vor allem Latein und Deutsche Gebärdensprache gelernt – Sprachen, die nicht (unbedingt) gesprochen werden. Ich glaube das Sprachenlernen fällt mir auch nicht unbedingt leicht. Ich möchte mich gerne ganz konkret ausdrücken und dafür fehlen mir dann die Vokabeln und meist das Wissen über eine kompliziertere grammatikalische Struktur. Also bleiben es bislang eher einfache Sätze, egal wie unbefriedigend es auch ist.

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Wir sind wenig Studis heute Nachmittag. Die mit ihren Fingernägeln auf dem Tablet klappernde Studentin ist nicht da und die professoressa meint in meine Richtung, dass sie die Folien hochgeladen hat (jaa ich weiß, aber erst vor 30 Sekunden). Wir sollen im Unterricht zum Thema dispersione e drop-out universitario recherchieren. Meine Gruppe untersucht dabei il senso di appartenenza. Kurz vorher hatte ich selbst noch über my sense of belonging und meine belonging uncertainty al contesto universitario italiano nachgedacht. The interaction with peers and faculty can be considered a significant predictor of the sense of belonging (Chattopadhyay, 2022). Nach der Gruppenarbeit weiß ich drei Namen mehr, wir reden noch kurz und wir verabschieden uns mit ci vediamo lunedì! Im strahlenden Sonnenschein gehe ich durch die Straßen, schlängele mich durch die Autos und Menschen und fühle mich schon ein klein wenig mehr zugehörig al contesto unversitario.

2 Kommentare bei „Vom Sich-fremd-Fühlen und Ankommen“

  1. Ich denke, ich kann mir grob vorstellen wie es Dir geht in der Uni. Ich bin die ersten Tage oft mit Kopfschmerzen nach Hause bekommen, als ich als Austauschschueler in den USA war vor vielen Jahren: Information overflow. Man wollte alles verstehen, das kann ja nicht so schwer sein dachte ich. Es kostet Konzentration sich in die fremde Sprache reinzuhoeren und sie zu verstehen. Aber es wird von Tag zu Tag etwas besser und damit leichter. Man muss nicht jedes Wort verstehen, um ‚mittendrin‘ zu sein und teilzunehmen. Step by step your understanding will increase and you’ll grow with it.
    Du wirst sehen, in kurzer Zeit hast Du Dich richtig in die italienische Sprache eingelebt und denkst und traeumst in Ihr. Wenn das losgeht, gibt es kein halten mehr.
    Carpe diem!

  2. … Was wird. (😄🌝)
    ✨☀️K-🫂

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